Gemeinsam besser durch den Morbus-Bechterew-Alltag: Vom Leben mit den Lieben
Leben mit Bechterew - den Alltag meistern
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Leben mit Bechterew - den Alltag meistern
Jede Partnerschaft hat ihre Hochs und Tiefs. Kommt eine chronische Erkrankung wie Morbus Bechterew dazu, wird die Sache nicht gerade leichter. Beide müssen lernen auszuhalten, dass der eine nicht immer so kann, wie er will und der andere vielleicht manchmal nicht so will, wie er kann. Natürlich kommen da Ängste, Zweifel und die Frage auf, wie das funktionieren soll. Kurz vorweg: Es geht – sogar richtig gut!
Wenn man noch klein ist, dann scheint das mit der Partnerschaft ganz einfach zu funktionieren. Papa hat Mama lieb und Mama Papa. Und wenn beide sich streiten, dann geben sie sich ein Küsschen und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen.
Schön, wenn es immer so einfach wäre. Eines können wir aber sehr wohl von der kindlichen Denkweise lernen: dass eine gute Partnerschaft auf gegenseitigem Wohlwollen und Liebe basiert. Wenn Mann oder Frau das Beste für den anderen will, dann ist das ein gutes Fundament für eine Beziehung. Nun gilt es nur noch auszuloten, was welcher Partner als „das Beste“ empfindet – vor allem, wenn einer von beiden Morbus Bechterew hat.
Eine Beziehung zu führen ist schon für zwei gesunde Menschen anspruchsvoll. Aber Menschen wachsen mit ihren Aufgaben. Gerade wenn zu den normalen Alltagsproblemen noch gesundheitliche Themen hinzukommen, spielen Offenheit, Verständnis und Gelassenheit eine umso wichtigere Rolle. Wenn diese Basis stimmt, geht in jeder Beziehung vieles. Dann ist es auch okay, seinem gesunden Partner zu sagen, dass man nicht in Watte gepackt werden will oder heute eine Auszeit braucht. Und der Partner weiß wiederum, dass er kein schlechtes Gewissen haben muss, weil er heute etwas tun möchte, was der andere gerade nicht machen kann. Davon kann sich so manches „gesunde“ Pärchen eine Scheibe abschneiden.
BB – der Bechterew- Beziehungscocktail für KönnerZutaten:
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Nur die zwei, die eine Beziehung führen, können das Wort „normal“ definieren. Erlaubt ist, was sich für beide gut anfühlt. Wie das mit Morbus Bechterew funktionieren kann, zeigen euch unsere Interviews. Seid gerne kreativ. Seid ruhig unkonventionell. Oder seid einfach nur ihr selbst. Und wenn sich nach mehreren Jahren etwas für eine Seite nicht mehr gut anfühlt, solltet ihr ein neues „normal“ definieren. Denn welche Partnerschaft bleibt über die Jahre immer gleich? Eben. Keine.
„Ich kann in unserer Beziehung nicht so viel beitragen, wie ich gerne möchte. Deshalb mache ich den Haushalt, um Lara wenigstens ein bisschen was abzunehmen. Doch an manchen Tagen schaffe ich nicht mal das. Dann komme ich mir so wertlos vor und werde wütend: auf mich, auf die Krankheit Bechterew und ja … leider auch auf meine Freundin Lara, obwohl das ungerecht ist.“ Linus, 41 Jahre, Morbus-Bechterew-Diagnose mit 29 Jahren, Freund von Lara „Es tut mir weh, wenn er sich so quält. Aber ich weiß, dass es da nicht um mich geht. Das halte ich meistens aus. Aber nicht immer. Genau für diesen Fall haben wir ein Zeichen ausgemacht. Wenn es mir zu viel wird, bekommt er – weil er ein riesiger Fußballfan ist – eine Gelbe Karte von mir. Dann hört er augenblicklich auf. Und wenn nicht, dann hätte ich noch eine rote in petto.“ Lara, 39 Jahre, Freundin von Linus |
*Fiktive Patientengeschichte
„Wenn wir aus dem Supermarkt kommen, schauen uns die Leute oft komisch an. Denn ich schleppe die vollen Einkaufstüten, während mein Mann mit leeren Händen neben mir herläuft. Heute können wir uns sogar über die Blicke amüsieren, weil der Druck bei ihm raus ist, ‚Männersachen‘ machen zu müssen.“ Bea, 36 Jahre, Frau von Hannes „Früher hätte ich den Einkauf ohne ein Wort nach Hause getragen und das die ganze Woche bitter bereut. Das hat Bea natürlich auch gemerkt. Wir haben darüber gesprochen und uns vom klassischen Rollenbild verabschiedet. Ich kann inzwischen ganz klar sagen, was ich will und brauche. Und dazu gehört eben auch, dass ich mich körperlich zurücknehme.“ Hannes, 39 Jahre, Morbus-Bechterew-Diagnose mit 28 Jahren, Mann von Bea |
*Fiktive Patientengeschichte
„Ich würde mich gerne öfters mal komplett rausziehen, weil ich mich so erschöpft fühle. Aber wie soll ich meinem Mann und den Kindern sagen, dass ich mehr Zeit für mich brauche, wo sowieso schon fast alles an ihnen hängen bleibt? Zum Glück habe ich mich dann doch getraut.“ Simone, 42 Jahre, Morbus-Bechterew-Diagnose mit 38 Jahren, Frau von Nikolas „Ich war erst ein bisschen sauer, weil Simone jetzt noch mehr von mir verlangt. Andererseits war ich auch froh, weil sie sich endlich ein Herz genommen und Klartext gesprochen hat. Das war gut für uns alle! Wir haben uns einfach anders organisiert bzw. andere um Hilfe gebeten. Unsere Kids werden jetzt zweimal die Woche von den Eltern ihrer Spielkameraden abgeholt, machen dort auch gleich ihre Hausaufgaben und dürfen bei ihren Freunden übernachten, wenn sie mögen. Die genießen das total. Simone hat jetzt die „Auszeiten“, die sie sich gewünscht hat und sogar ich kann jetzt manchmal die Füße hochlegen. Herrlich.“ Nikolas, 42 Jahre, Mann von Simone |
*Fiktive Patientengeschichte
Viele Menschen mit chronischen Erkrankungen fühlen sich pauschal schuldig. Kennst du das auch? Hand aufs Herz, welche Punkte der folgenden Liste treffen vielleicht auch auf dich zu?
Ich fühle mich manchmal schuldig, weil:
Falls du mindestens einen der Punkte gedanklich angekreuzt hast, bist du vielleicht auch zu dem Schluss gekommen, dass der letzte Punkt der entscheidende ist. Rein rational weißt du sicher, dass du nichts für deine Krankheit kannst. Wohingegen das emotional vermutlich auch mal anders aussieht. Lass dir gesagt sein: Deine Gefühle sind in diesem Fall auf dem Holzweg!
Mantra für den nächsten Schuldgefühl-Anfall:
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Ein Ansprechpartner sein
Sich aufeinander verlassen zu können ist vermutlich das Wichtigste in einer gut funktionierenden Beziehung. Seid füreinander da und zeigt gegenseitiges Verständnis – selbst dann, wenn ein Bechterew-Schub eure Tages- oder sogar Wochenplanung spontan über den Haufen wirft. Macht das Beste daraus und bleibt flexibel. Vielleicht wird aus dem geplanten Tagesausflug stattdessen ein kurzer gemeinsamer Spaziergang und aus einem Roadtrip ein Autorennen mit der Playstation. Es kann aber auch sein, dass der Betroffene sich einfach nur Ruhe wünscht. Sprecht miteinander und lotet aus, was jeder von euch gerade braucht. Akzeptiert, wenn es anders läuft als geplant.
Mehr Partner als Pfleger sein
Wenn es dem oder der Liebsten in einer akuten Phase nicht so gut geht, möchte man als Partner natürlich helfen. Vergesst aber nicht, dass es uns allen wichtig ist, unabhängig zu bleiben. Das muss der andere respektieren und darf nur da unterstützen, wo es auch eingefordert wird. Sprecht euch immer wieder gemeinsam ab und sucht nach Lösungen. Wo soll und muss der Partner mit anpacken und wo besser nicht. Nichts wirkt bevormundender, als wenn der eine dem anderen alles ungefragt aus der Hand nimmt – auch wenn es nur gut gemeint ist.
Der beste Buddy sein
Gemeinsam Zeit zu verbringen und Erinnerungen zu schaffen ist etwas Wundervolles, weil gemeinsame Erlebnisse verbinden. Wie wäre es zum Beispiel mit Sport? Erstens bleibt derjenige mit Morbus Bechterew beweglicher, zweitens sind gute Vorsätze zu zweit viel leichter durchzuhalten und drittens deuten neuere Studien darauf hin, dass gezielte Trainings einen positiven Einfluss auf Entzündungen haben können.¹ Überlegt, welche Sportart euch beiden Spaß machen könnte und was sich mit dem Morbus Bechterew gut anfühlt. Inzwischen ist so ziemlich jede Sportart erlaubt, solange kein akuter Schub vorliegt. Mehr zum Thema erfahrt ihr hier.
Ein netter Kritiker sein
Weil Menschen mit Morbus Bechterew häufiger Schmerzen haben, sind sie auch eher mal unleidlich. Das bekommt – wie in allen Beziehungen – meist zuerst der Partner zu spüren. Am besten ihr vereinbart gemeinsam ein Zeichen, wann die Toleranzschwelle des anderen erreicht ist. Das darf und sollte vielleicht sogar etwas sein, das die Spannung aus der Situation nimmt. Wie wäre es zum Beispiel mit einem gemeinsam vereinbarten Codewort, das dem anderen eine Gesprächspause signalisiert? Oder du ziehst ein T-Shirt mit dem Aufdruck an: Ich lieb dich trotzdem. Vielleicht zeigst du aber auch mit einem würzigen Camembert aus der Käsedose, dass es dir langsam stinkt.
Teil der Therapie sein
Bestimmte Sachverhalte sind leichter zu verstehen, wenn man sie nicht aus zweiter, sondern aus erster Hand erfährt. Begleitet euch also gerne gegenseitig zum Arzt, wenn das für beide in Ordnung ist. Dort kann man die Fragen stellen, die einem durch den Kopf gehen. Ein echtes Plus ist, dass ihr auf diese Art gemeinsam Therapieentscheidungen treffen könnt. Das fühlt sich gut und wirklich partnerschaftlich an.
Quelle:
1. Dr. rer. nat. Karsten Krüger, Abteilung für Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Justus-Liebig-Universität Giessen, Deutschland: „Beitrag des Sports zur Entzündungsregulation beim Morbus Bechterew“, in „Morbus Bechterew-Journal“, Nr. 133, Juni 2013